1.2.1 Nur-Audio und Nur-Video: Wenn ein Sinn fehlt, braucht es Alternativen

Was ist das Ziel dieses Kriteriums?

Nicht jeder nimmt Inhalte auf die gleiche Weise wahr: Manche Menschen hören nichts oder nur schlecht. Andere können nicht sehen, was auf einem Bildschirm passiert. Und wieder andere nutzen das Internet in Situationen, in denen Ton oder Bild allein nicht ausreichen – zum Beispiel in lauter Umgebung oder mit abgeschaltetem Ton.

Erfolgskriterium 1.2.1 der WCAG fordert deshalb, dass reine Audio- oder Videoinhalte (also solche ohne ergänzende Informationen durch andere Sinne) auch für Menschen zugänglich gemacht werden, die sie nicht oder nur eingeschränkt wahrnehmen können.

Kurz gesagt: Wenn ein Inhalt nur über Ton oder nur über Bild funktioniert, braucht er eine Alternative in Textform oder über einen anderen Sinneskanal.

Was fordert das Erfolgskriterium genau?

Die Regelung gilt für vorab aufgezeichnete Medien, also Inhalte, die nicht live sind und bei denen man sich gezielt um Barrierefreiheit kümmern kann:

  • Nur-Audio-Inhalte (z. B. Podcasts, Interviews, Musik ohne Bild):
    Hier muss eine Textalternative bereitgestellt werden, die den gleichen Informationsgehalt vermittelt. Das kann ein Transkript sein, in dem steht, was gesagt (und ggf. was gehört) wurde – idealerweise inklusive Angaben zu Sprechern, Pausen, Geräuschen usw.
  • Nur-Video-Inhalte (z. B. Animationen, Screencasts ohne Ton):
    Es gibt zwei Möglichkeiten:
    • Eine Textalternative, die beschreibt, was im Video zu sehen ist.
    • Oder ein ergänzender Audiokommentar, der das visuelle Geschehen erklärt.

Ausnahme: Wenn ein Audio- oder Video-Inhalt selbst nur eine Ergänzung zu einem Text ist, muss er nicht nochmals erklärt werden – vorausgesetzt, das ist klar gekennzeichnet.

Warum ist das wichtig für Barrierefreiheit?

Stell dir vor, du bekommst ein Video geschickt – aber es gibt keinen Ton, und du bist blind. Oder du klickst auf einen Podcast, aber du bist gehörlos. In beiden Fällen fehlt dir die komplette Information, obwohl sie technisch vorhanden ist.

  • Textalternativen für Nur-Audio- und Nur-Video-Inhalte schaffen Zugang:
  • Menschen, die nichts hören, können lesen, was gesagt wird.
  • Menschen, die nichts sehen, können hören, was passiert.
  • Menschen mit kognitiven Einschränkungen profitieren von kombinierten Darstellungen (z. B. gesprochene und geschriebene Inhalte).
  • Inhalte werden durchsuchbar und lassen sich für verschiedene Zwecke wiederverwenden (z. B. als Artikel, Mitschrift, Archiv).

Und: Text ist universell. Er lässt sich in Braille übersetzen, vorlesen, vergrößern, übersetzen – und ist damit die vielseitigste Form der Barrierefreiheit.

So setzt du das Kriterium erfolgreich um

Die gute Nachricht: Die Umsetzung ist technisch meist sehr einfach – und bringt oft sogar Vorteile für die allgemeine Nutzerfreundlichkeit und Suchmaschinenoptimierung. Hier ein paar bewährte Praxis-Tipps:

 

Für Nur-Audio-Inhalte:

Erstelle ein vollständiges Transkript – nicht nur Stichpunkte.

  • Achte auf Struktur: Kennzeichne Sprecher, Geräusche, Reaktionen (z. B. [Applaus], [Lachen]).
  • Verlinke das Transkript direkt beim Audio-Inhalt – nicht irgendwo anders.
  • Nutze sprechende Titel: Statt „Podcast Folge 4“ besser „Interview mit CEO zur Nachhaltigkeitsstrategie“.

 

Für Nur-Video-Inhalte:

  • Biete entweder ein audiodeskriptives Voice-Over (also eine Erzählstimme, die das Geschehen beschreibt) …
  • … oder eine beschreibende Textalternative, z. B. als Link „Was im Video zu sehen ist“.
  • Nutze einfache Sprache und konzentriere dich auf das Wesentliche: Was ist wichtig für das Verständnis?
  • Wenn das Video eine Funktion erfüllt (z. B. zeigt, wie eine Maschine funktioniert), sollte das auch in der Beschreibung klar werden.

 

Allgemein:

  • Kennzeichne klar, wenn ein Medium nur eine visuelle oder auditive Ergänzung ist und verweise auf den Hauptinhalt.
  • Denk daran: Auch Menschen ohne Einschränkungen profitieren von Transkripten zum Beispiel in lauten Umgebungen oder beim schnellen Erfassen von Inhalten.

Warum dieses Erfolgskriterium für Unternehmen relevant ist

Auch bei Erfolgskriterium 1.2.1 gilt: Barrierefreiheit ist kein Selbstzweck – sondern bringt handfeste Vorteile für dein Business.

 

1. Zielgruppe erweitern

Ein Podcast ohne Transkript ist für gehörlose Menschen unbrauchbar. Ein stummes Erklärvideo ohne Beschreibung ist für blinde Menschen sinnlos. Mit barrierefreien Alternativen machst du Inhalte für alle nutzbar – auch für Menschen in temporär eingeschränkten Situationen.

 

2. Suchmaschinenoptimierung verbessern

Suchmaschinen können keine Audio- oder Videoinhalte „verstehen“ – aber sie lesen und indexieren Text. Transkripte machen Inhalte auffindbar, durchsuchbar und wiederverwendbar.

 

3. Content effektiver nutzen

Ein Transkript kann zur Basis für einen Blogartikel, ein Whitepaper oder ein Zitatmodul werden. Ein beschreibender Text zu einem Video lässt sich für Social Media, Newsletter oder Dokumentationen nutzen. Du holst also mehr raus aus deinen Inhalten.

Und nicht zuletzt: Rechtssicherheit und Fördermöglichkeiten. Viele öffentliche Projekte fordern digitale Barrierefreiheit bereits verpflichtend – wer vorbereitet ist, hat klare Vorteile bei Ausschreibungen und Förderanträgen.

Das Erfolgskriterium im Wortlaut der W3

Success Criterion 1.2.1 Audio-only and Video-only (Prerecorded)

 

(Level A)

For prerecorded audio-only and prerecorded video-only media, the following are true, except when the audio or video is a media alternative for text and is clearly labeled as such:

 

Prerecorded Audio-only 

An alternative for time-based media is provided that presents equivalent information for prerecorded audio-only content.  

 

Prerecorded Video-only 

Either an alternative for time-based media or an audio track is provided that presents equivalent information for prerecorded video-only content. 

 

Link zum konkreten Erfolgskriterium