1.2.7 Erweiterte Audiodeskription: Wenn normale Beschreibungen nicht reichen (AAA)

Was ist das Ziel dieses Kriteriums?

Stell dir vor, du schaust ein Physik-Tutorial, in dem der Professor gleichzeitig redet, zeichnet und gestikuliert – und das alles ohne Pause. Für sehende Menschen ist das kein Problem. Aber was, wenn du blind bist und auf Audiodeskription angewiesen bist? In den wenigen Sprechpausen zwischen den Sätzen ist schlicht nicht genug Zeit, um alle wichtigen visuellen Informationen zu beschreiben.

Genau hier greift Erfolgskriterium 1.2.7 der WCAG: Es sorgt dafür, dass Videos mit erweiterten Audiodeskriptionen versehen werden, wenn normale Beschreibungen nicht ausreichen. Das bedeutet: Das Video wird gezielt pausiert, um Platz für detaillierte Erklärungen zu schaffen – ohne dass wichtige visuelle Informationen verloren gehen.

 

Was fordert das Erfolgskriterium genau?

Das AAA-Level-Kriterium 1.2.7 ist sehr spezifisch und kommt nur dann zum Einsatz, wenn normale Audiodeskription an ihre Grenzen stößt:

 

Erweiterte Audiodeskription muss bereitgestellt werden, wenn:

  • Die natürlichen Pausen im Audio nicht ausreichen, um alle wichtigen visuellen Informationen zu beschreiben
  • Das Verständnis des Videos ohne diese zusätzlichen Beschreibungen leiden würde
  • Es sich um vorab aufgezeichnete (nicht live übertragene) Medien handelt

So funktioniert erweiterte Audiodeskription:

  • Das Video wird gezielt an strategischen Stellen pausiert
  • In diesen Pausen werden detaillierte Beschreibungen der visuellen Elemente eingefügt
  • Nach der Beschreibung wird das Video nahtlos fortgesetzt
  • Nutzer sollten idealerweise wählen können, ob sie diese Funktion aktivieren möchten

Ausnahme: Wenn alle wichtigen visuellen Informationen bereits im normalen Audiokanal enthalten sind, ist keine zusätzliche Audiodeskription erforderlich.

 

Warum ist das wichtig für Barrierefreiheit?

Stell dir vor, du verfolgst eine Kochshow, in der der Koch stumm verschiedene Zutaten mixt, würzt und garniert – während er nebenbei über etwas völlig anderes spricht. Ohne erweiterte Audiodeskription gehen dir als blinde Person alle entscheidenden visuellen Schritte verloren.

Erweiterte Audiodeskription schafft Barrierefreiheit, weil sie:

  • Komplexe visuelle Inhalte zugänglich macht – auch wenn gleichzeitig gesprochen wird
  • Blinden Menschen vollständigen Zugang zu schnelllebigen Videos ermöglicht
  • Lernvideos und Tutorials auch für Menschen ohne Sehvermögen nutzbar macht
  • Emotionale und non-verbale Informationen vermittelt, die sonst verloren gehen
  • Gleichberechtigte Teilhabe an visuell-intensiven Medieninhalten schafft

Und nicht zuletzt: Sie macht Videos universeller verständlich – auch für Menschen mit Aufmerksamkeitsstörungen oder kognitiven Einschränkungen, die von strukturierten, ausführlichen Beschreibungen profitieren.

So setzt du das Kriterium erfolgreich um

Die erweiterte Audiodeskription ist technisch anspruchsvoller als normale Beschreibungen – aber mit der richtigen Herangehensweise durchaus machbar:

 

Planung der erweiterten Beschreibungen:

  • Identifiziere Stellen, wo wichtige visuelle Informationen nicht durch normale Pausen abgedeckt werden können
  • Markiere strategische Pausenpunkte, die den Videofluss nicht zu stark unterbrechen
  • Entwickle prägnante, aber vollständige Beschreibungen für diese Momente
  • Achte darauf, dass Pausen sinnvoll platziert sind (z. B. zwischen Gedankengängen, nicht mitten im Satz)

 

Technische Umsetzung:

  • Erstelle eine Version mit eingefügten Pausen für die erweiterten Beschreibungen
  • Nutze SMIL-Technologie für synchronisierte Multimedia-Präsentationen
  • Biete idealerweise eine Umschaltfunktion zwischen normaler und erweiterter Version
  • Verwende das HTML5 <track>-Element für moderne Browser-Unterstützung
  •  

Inhaltliche Qualität:

  • Beschreibe nur visuell wichtige Elemente, die für das Verständnis notwendig sind
  • Halte Beschreibungen objektiv und sachlich
  • Verwende klare, verständliche Sprache
  • Strukturiere Beschreibungen logisch (erst Überblick, dann Details)

 

Tools und Ressourcen:

  • SMIL 1.0/2.0 für erweiterte Multimedia-Synchronisation
  • Professionelle Video-Editing-Software mit Audiodeskriptions-Features
  • Barrierefreie Media-Player mit Umschaltfunktionen

 

Warum dieses Erfolgskriterium für Unternehmen relevant ist

AAA-Level-Kriterien wie 1.2.7 mögen optional erscheinen – aber sie bieten echte Wettbewerbsvorteile für Unternehmen, die in hochwertigen Content investieren.

 

1. Zielgruppe erweitern

Erweiterte Audiodeskription macht komplexe Videoinhalte für eine breitere Zielgruppe zugänglich. Gerade bei Schulungen, Produktdemonstrationen oder technischen Erklärvideos erreichst du Menschen, die sonst ausgeschlossen wären.

 

2. Premium-Positionierung unterstützen

Videos mit erweiterten Beschreibungen signalisieren höchste Qualitätsstandards und Inklusivität. Das stärkt dein Markenimage als verantwortungsvolles, zugängliches Unternehmen – ein wichtiger Differenzierungsfaktor.

 

3. Bildungssektor und B2B erschließen

Universitäten, Bildungseinrichtungen und große Unternehmen setzen zunehmend auf AAA-konforme Inhalte. Mit erweiterten Audiodeskriptionen positionierst du dich als bevorzugter Anbieter für diese lukrativen Märkte.

Und nicht zuletzt: Rechtssicherheit und Fördermöglichkeiten. Viele öffentliche Projekte fordern digitale Barrierefreiheit bereits verpflichtend – wer vorbereitet ist, hat klare Vorteile bei Ausschreibungen und Förderanträgen.

 

Das Erfolgskriterium im Wortlaut der W3

Success Criterion 1.2.7 Extended Audio Description (Prerecorded) (Level AAA)

Where pauses in foreground audio are insufficient to allow audio descriptions to convey the sense of the video, extended audio description is provided for all prerecorded video content in synchronized media.

Link zum konkreten Erfolgskriterium

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