Was ist das Ziel dieses Kriteriums?
Ein Video ist oft mehr als nur Ton: Mimik, Gestik, Szenenwechsel, eingeblendete Texte oder wichtige Handlungen auf dem Bildschirm – all das vermittelt Inhalte. Für Menschen mit Sehbehinderung oder blinde Nutzer:innen bleiben diese Informationen unsichtbar, wenn sie nicht aktiv erklärt werden.
Erfolgskriterium 1.2.5 der WCAG auf Level AA sorgt deshalb dafür, dass alle vorab aufgezeichneten Videos mit Bild und Ton durch eine Audiodeskription ergänzt werden. So werden visuelle Inhalte auch für Menschen zugänglich, die sie nicht sehen können – durch Sprache.
Was fordert das Erfolgskriterium genau?
Wenn ein Video sowohl Ton als auch Bild enthält, muss es eine gesprochene Beschreibung der visuellen Inhalte geben – synchron zum bestehenden Audiomaterial.
Diese Audiodeskription vermittelt:
- Handlungen und Bewegungen,
- Mimik und Gestik,
- visuelle Elemente wie Grafiken, Text-Einblendungen, Objekte,
- relevante Szenenwechsel oder Umgebungen.
Die Beschreibung erfolgt während der Pausen im Dialog, sodass der vorhandene Ton nicht überlagert wird. Damit entsteht ein vollständiges, auditives Gesamtbild des Videos – auch ohne visuelle Wahrnehmung.
Ausnahme: Wenn alle visuellen Informationen bereits im gesprochenen Text enthalten sind, ist keine zusätzliche Audiodeskription nötig.
Warum ist das wichtig für Barrierefreiheit?
Ein Film, in dem man „sehen muss, was passiert“, ist für blinde Menschen ohne Beschreibung nicht erlebbar. Auch wenn ein Video nur erklärend gesprochen ist, kann es trotzdem visuelle Details enthalten, die entscheidend sind – etwa eine gezeigte Grafik oder eine Szene ohne Sprache.
Audiodeskriptionen sorgen dafür, dass:
- blinde und sehbehinderte Menschen dem Inhalt gleichberechtigt folgen können,
- auch Menschen mit kognitiven Einschränkungen von sprachlich erklärten Bildern profitieren,
- wichtige Informationen nicht verloren gehen, nur weil sie visuell präsentiert werden,
- Medieninhalte vielfältiger nutzbar sind – auch auditiv allein.
Audiodeskriptionen schaffen Inklusion, nicht als Nachbesserung – sondern als fester Bestandteil guter Videoproduktion.
So setzt du das Kriterium erfolgreich um
Eine gute Audiodeskription erfordert Feingefühl, Sprachkompetenz und manchmal auch etwas Planung. Hier ein paar Tipps zur Umsetzung:
1. Bei der Produktion mitdenken
- Plane Sprechpausen im Video ein, in denen beschreibende Elemente Platz haben.
- Vermeide überladenen Ton – so bleibt Raum für zusätzliche Beschreibungen.
2. Inhalte gezielt beschreiben
- Beschreibe visuelle Schlüsselreize – z. B. „Die Moderatorin hebt einen Apfel hoch und zeigt auf eine Grafik mit Kalorienwerten.“
- Achte auf Neutralität und Präzision: keine Interpretationen, sondern Beschreibungen.
- Nutze klare Sprache – idealerweise in der gleichen Sprache wie das Video selbst.
3. Audiodeskription einbauen
- Nutze mehrspurige Audioproduktion, um die Beschreibung in die Pausen zu legen.
- Es gibt spezialisierte Anbieter (z. B. Hörfilmproduktionen) sowie Tools wie YouDescribe oder Frazier, die bei der Umsetzung helfen.
- Stelle sicher, dass Nutzer:innen zwischen Versionen wählen können: mit und ohne Audiodeskription.
4. Qualität prüfen
- Teste das Video mit echten Nutzer:innen – z. B. mit blinden Menschen oder solchen, die regelmäßig Audiodeskriptionen nutzen.
- Achte darauf, dass keine Inhalte verloren gehen und die Erzählweise zum Tonbild passt.
Warum dieses Erfolgskriterium für Unternehmen relevant ist
Audiodeskriptionen schaffen Mehrwert – nicht nur für einzelne Zielgruppen, sondern für dein gesamtes digitales Angebot:
1. Inklusion als Standard leben
Du machst deine Videoinhalte für alle zugänglich – und stärkst damit deine Position als verantwortungsbewusstes, modernes Unternehmen.
2. Barrierefreiheit systematisch umsetzen
Wenn du schon bei 1.2.3 (AA) eine Textalternative genutzt hast, ist 1.2.5 deine Chance, zusätzlich konforme Audiodeskriptionen bereitzustellen – und so auch höhere Standards zu erfüllen.
3. Nutzerbindung stärken
Du bietest ein besseres Nutzererlebnis – auch für Menschen ohne Einschränkungen, etwa bei mobilen Nutzungssituationen oder schlechter Verbindung, wo Ton ohne Bild verständlicher ist.
Und nicht zuletzt: Rechtssicherheit und Fördermöglichkeiten. Viele öffentliche Projekte fordern digitale Barrierefreiheit bereits verpflichtend – wer vorbereitet ist, hat klare Vorteile bei Ausschreibungen und Förderanträgen.
Das Erfolgskriterium im Wortlaut der W3
Success Criterion 1.2.5 Audio Description (Prerecorded)
(Level AA)Audio description is provided for all prerecorded video content in synchronized media.